Schritt 1: Bedarfsermittlung / Themenfindung
Einführung
Innovationsprozesse im ländlichen Raum unterscheiden sich von denen in der Stadt. Im ländlichen Raum sind Ressourcen, wie beispielsweise finanzielle Mittel, Fachkräfte oder Infrastruktur, oftmals begrenzt, was die Umsetzung von Innovationen erschweren kann. Auch die Vernetzung von Wissenschaft, Wirtschaft und anderen Akteuren ist meist geringer ausgeprägt, was die Bildung von Kooperationen und den Zugang zu Expertise erschweren kann. Zudem können traditionelle Werte und kulturelle Aspekte eine stärkere Rolle spielen und die Akzeptanz von Innovationen beeinflussen.
Diese Unterschiede bedeuten jedoch nicht, dass Innovationsprozesse im ländlichen Raum weniger erfolgreich oder weniger relevant sind. Sie erfordern jedoch eine angepasste Herangehensweise, um die Entwicklung des ländlichen Raums voranzutreiben. Wichtig ist vor allem, dass die Bedürfnisse und Herausforderungen des ländlichen Raums berücksichtigt werden. Innovationsprozesse sollten insgesamt stärker auf die spezifischen Anforderungen der dort lebenden Menschen und Unternehmen ausgerichtet werden.
Ein zentraler Erfolgsfaktor für den Aufbau von Transfer-Hubs im ländlichen Raum ist folglich die Identifizierung der regionsspezifischen Bedarfe und Themen. Nur wenn die Bedürfnisse und Herausforderungen der Akteure einer Region berücksichtigt werden, können Transfermaßnahmen erfolgreich implementiert und Innovation gezielt gefördert werden. Es empfiehlt sich daher, früh im Prozess entsprechende Bedarfserhebungen durchzuführen.
Im Projekt Innovationsraum.Land wurden die Bedarfe der Region an digitale Technologien sowie an zukünftiges Leben und Arbeiten ermittelt, um darauf aufbauend Angebote des zu entwickelnden Transfer-Hubs abzuleiten.
Unser Vorgehen
Im Projekt Innovationsraum.Land wurden zwei Transfer-Pfade verfolgt. Der technologieorientierte Pfad zielte darauf ab, gemeinsam mit regionalen KMU neue Anwendungsmöglichkeiten für bestehende Fraunhofer-Technologien zu suchen und Kooperationen für den Technologietransfer zu initiieren. Der missionsorientierte Pfad diente dazu, mit regionalen Akteuren ko-kreativ und partizipativ neue Lösungen für ein gutes Leben und Arbeiten auf dem Land zu erarbeiten.
Zur Erreichung dieser Ziele wurden zwei Wege der Bedarfsermittlung / Themenfindung verfolgt. Es wurden zum einen die Bedarfe der regionalen KMU erhoben (technologieorientierter Pfad) und zum anderen die Bedarfe der Region als Ganzes (missionsorientierter Pfad), um jeweils regions- und zielgruppenspezifische Themen zu identifizieren und die weitere Projektarbeit darauf auszurichten.
Bedarfserhebung KMU
Um die Bedarfe von KMU in der Projektregion zu ermitteln, wurde ein Fokusgruppenworkshop konzipiert, durchgeführt und ausgewertet. Ziel des Workshops war es, gemeinsam Anwendungsbereiche für digitale Technologien, Bedarfe an zukünftige Technologien sowie damit verbundene Herausforderungen in der Region zu identifizieren.
Vorbereitung
Zur Vorbereitung des Workshops wurden zunächst auf Basis einer Literaturrecherche potenzialträchtige Technologien, vor allem im Bereich Digitalisierung, identifiziert. Zudem wurden Herausforderungsbereiche für KMU im ländlichen Raum und Bedingungen für einen erfolgreichen Wissens- und Technologietransfer recherchiert. Im Ergebnis konnten 21 Technologien und drei Handlungsfelder (Mensch, Produktion und Organisation) identifiziert werden, die als Grundlage für den Fokusgruppenworkshop dienten.
Digitaler Fokusgruppenworkshop: Netzwerkstatt
Die ermittelten Technologien und Handlungsfelder wurden in ein Serious-Gaming-Format überführt, das es KMU im Rahmen eines moderierten Workshops ermöglicht, Anwendungsmöglichkeiten von und Bedarfe an Technologien spielerisch zu erarbeiten. Konkret wurde ein Spiel (bestehend aus Anleitung, Spielfeld, Spielkarten und Stickerset) entwickelt, mit Hilfe dessen die KMU unternehmensspezifische Herausforderungen artikulieren, mögliche technologische Lösungen identifizieren und deren Umsetzbarkeit bewerten konnten.
Angewendet wurde das Spiel im Rahmen eines digitalen Fokusgruppenworkshops im September 2021 unter dem Titel »Netzwerkstatt«, an dem insgesamt 13 KMU-VertreterInnen aus der Projektregion teilnahmen. Hierfür wurden die entwickelten Spielmaterialien vorab per Post an die Teilnehmenden verschickt, sodass eine interaktive Arbeit an und mit den Materialien möglich war. Im Rahmen des Workshops erarbeitete jede/r Teilnehmende zunächst spezifische Herausforderungen und technologische Bedarfe für das eigene KMU (User Cases innerhalb der drei Handlungsfelder), ehe gemeinsam Kernherausforderungen der Region und Bedingungen für einen erfolgreichen Transfer diskutiert wurden. Die Ergebnisse wurden auf einem digitalen Whiteboard dokumentiert und anschließend ausgewertet.
Ergebnisse
Aufbauend auf den Ergebnissen der Netzwerkstatt sowie weiterführenden Abstimmungen mit Akteuren des regionalen Innovationsökosystems konnten drei technologische Kernthemen erarbeitet werden.
An diesen Kernthemen sollten sich die weiteren Projektaktivitäten sowie die zu entwickelnden Angebote der LANDFABRIK® als Transfer-Hub orientieren. Zu diesem Zweck wurden zunächst Kernthemen-Steckbriefe erstellt, die die jeweilige Ausgangssituation im Themenfeld, die konkreten Ziele & Herausforderungen von KMU sowie das Unterstützungsangebot der LANDFABRIK® zusammenfassen. Diese Steckbriefe bildeten die Basis für die nachfolgenden Schritte 2 (Entwicklung von Angeboten) und 3 (Netzwerkaufbau und Verstetigung) beim Aufbau eines Transfer-Hubs im ländlichen Raum.
Um die Bedarfserhebung bei KMU und damit die Themenfindung von Transfer-Hubs auch in anderen Regionen zu unterstützen, wurden alle Materialien zur Durchführung einer Netzwerkstatt aufbereitet und unter Tools zum Download zur Verfügung gestellt.
Bedarfserhebung Region
Um die Bedarfe der Region als Ganzes zu erheben, wurde eine Interviewstudie mit verschiedenen Akteuren aus der Projektregion durchgeführt. Ziel der Studie war es, Potentiale, Herausforderungen und Bedarfe der Region im Bereich Leben und Arbeiten zu erheben. Darüber hinaus sollten relevante Akteure zur Erreichung der Mission »Gutes Leben und Arbeiten auf dem Land« identifiziert und Bedarfe und Wünsche an ein regionales Transfer-Hub erarbeitet werden.
Vorbereitung
Zur Vorbereitung der Interviewstudie wurden zunächst Akteure aus der Projektregion recherchiert, die als InterviewpartnerInnen dienen können. Gesucht wurden Personen aus allen vier Bereichen der Quadruple Helix (Politik & Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft), um ein möglichst breites Spektrum an Perspektiven abdecken zu können. Zudem sollten die Personen über Überblickswissen verfügen, Interesse an der Entwicklung der Region haben und/oder sich bereits in diesem Bereich engagieren. Die identifizierten Personen wurden per E-Mail kontaktiert und zu einem Online-Interview eingeladen.
Interviewstudie »Gutes Leben und Arbeiten auf dem Land«
Insgesamt wurden 13 Interviews mit 14 regionalen ExpertInnen durchgeführt. Zur Durchführung der Interviews wurde ein Leitfaden erstellt, der die Themenfelder Leben & Arbeiten in der Region, relevante Akteure und bisherige Zusammenarbeit sowie Wünsche an ein regionales Transfer-Hub umfasst. Die Interviews wurden im Februar und März 2022 durchgeführt und dauerten im Schnitt 85 Minuten. Sie wurden aufgezeichnet, transkribiert und im Anschluss inhaltsanalytisch ausgewertet.
Ergebnisse
Durch die geführten Interviews konnten vor allem zwei Ergebnisse erreicht werden. Zum einen wurde die Basis geschaffen für eine Strukturierung des potenziellen Innovationsökosystems in der Projektregion. Es wurden relevante Orte, regionale Gegebenheiten und Innovationsakteure gesammelt und für die weitere Verwendung aufbereitet.
Darüber hinaus führten die Gespräche über Vorzüge und Herausforderungen der Region zur Identifizierung besonders relevanter Themen für die Region. Als Top-Thema aus Sicht der Interviewten zeigte sich das Thema Nachwuchsförderung (neben »lebendige Ortschaften«, »digitales Arbeiten« und »nachhaltig Wohnen & Leben«). Diese Erkenntnisse dienten als Basis für das weitere Vorgehen im Projekt sowie die zu entwickelnden Angebote des Transfer-Hubs.
Um auch in anderen Regionen die Strukturierung des eigenen Ökosystems und die Identifizierung relevanter Themen zu unterstützen, wurde der Find Your Mission-Leitfaden entwickelt und unter Tools zum Download zur Verfügung gestellt. Zusammen mit einer System-Map als Strukturierungshilfe, unterstützt der Leitfaden regionale Akteure bei der Identifizierung einer tragfähigen Mission für ländliche Regionen.
Learnings & Handlungsempfehlungen
Der Aufbau eines Transfer-Hubs im ländlichen Raum benötigt Offenheit und Flexibilität bei der Bedarfsermittlung/Themenfindung. Dies beinhaltet verschiedene Aspekte:
- Akteure aus verschiedenen Bereichen involvieren
- Verschiedene Sichtweisen zusammenführen
- Bedarfe der Region ermitteln und daran ausrichten
- Kein Festhalten an vordefinierten Themen
Gemeinsam erarbeitete Bedarfe/Themen steigern die gesellschaftliche Akzeptanz und Nutzung des Hubs und seiner Angebote.
Tools
Netzwerkstatt-Tool
Mit Hilfe des Tools können die technologischen Bedarfe von KMU spielerisch erarbeitet werden. Eine Version für KMU hilft dabei, die Bedarfe des eigenen Unternehmens sichtbar zu machen. Eine Version für Forschende dient dazu, die Bedarfe mehrerer KMU innerhalb einer Region zu erschließen.
Download Tool KMU
Download Tool Forschende
Tools
Find your Mission-Leitfaden
Mit Hilfe des Leitfadens kann eine Mission für die ländliche Zielregion entwickelt werden. Durch die systematische Analyse der Zielregion wird erreicht, dass die erarbeitete Mission die zentralen Herausforderungen der Region adressiert und vorhandene Potenziale der Region genutzt werden.